HS: "Können Sie sich vorstellen,
daß Sie Philosophieprofessor wären, der seine Lehre in einem
normalen akademischen Gehäuse vorträgt?"
JB: "Ja, das trage ich
ja vor, sehr oft sogar."
HS: "Sie tun es, aber
sie tun es nicht nur. Von der Kunst her wird man Sie sicher
oft fragen: Warum arbeiten Sie so stark theoretisch? Ich
frage jetzt umgekehrt: Wenn Sie so viel Theorie haben, warum
benötigen Sie dann noch das künstlerische Material?"
JB: "Weil der Mensch im
schöpferischen Vorgang sich überhaupt nur am Material entfalten
kann. Er ist ja kein absolutes, geistiges Wesen. Er ist ja
verkörpert."
HS: "Was würde geschehen,
wenn das Künstlerische entfiele: man würde Bücher lesen,
Bücher schreiben und seine Gedanken vortragen?"
JB: "Dann würde die Menschheit
untergehen. Denn der Mensch ist ja verkörpert. Das ist das
Sakrament, wie es sich am Menschen zeigt. [...] Dieser Zusammenhang
zwischen Geist und Mensch, zwischen einem geistigen Wesen
und einem im Körper lebenden Geist ist etwas einmaliges,
und das nennt man Mensch.
Joseph Beuys interviewed by Horst
Schwebel. In: Horst Schwebel: Glaubwürdig. Fünf
Gespräche über heutige Kunst und Religion mit Joseph
Beuys, Heinrich Böll, Herbert Falken, Kurt Mari, Dieter
Wellershoff. München: Kaiser Verlag, 1979.