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The Aesthetics of Nature



Kant

     Wenn ein Mann, der Geschmack genug hat, um über Produkte der schönen Kunst mit der größten Richtigkeit und Feinheit zu urteilen, das Zimmer gern verläßt, in welchem jene, die Eitelkeit und allenfalls gesellschaftlichen Freuden unterhaltenden, Schönheiten anzutreffen sind, und sich zum Schönen der Natur wendet, um hier gleichsam Wollust für seinen Geist in einem Gedankengange zu finden, den er sich nie völlig entwickeln kann: so werden wir diese seine Wahl selber mit Hochachtung betrachten, und in ihm eine schöne Seele voraussetzen, auf die kein Kunstkenner und Liebhaber, um des Interesse willen, das er an seinen Gegenständen nimmt, Anspruch machen kann. [...]

      An einem Produkte der schönen Kunst muß man sich bewußt werden, daß es Kunst sei, und nicht Natur; aber doch muß die Zweckmäßigkeit in der Form desselben von allem Zwange willkürlicher Regeln so frei scheinen, als ob es ein Produkt der bloßen Natur sei. [...] Also muß die Zweckmäßigkeit im Produkte der schönen Kunst, ob sie zwar absichtlich ist, doch nicht absichtlich scheinen; d.i. schöne Kunst muß als Natur anzusehen sein, ob man sich ihrer zwar als Kunst bewußt ist.

Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft. Berlin & Libau: Lagarde & Friedrich, 1790, sections 42/45.
[Third edition: Berlin: F.T. Lagarde, 1799, pp. 168/179/180.]

    

Die großen Schauspiele der sich in Unordnung befindlichen Natur sind ein beispiel dafür, daß die menschliche Kunst niemals etwas derartiges hervorbringen kann. Denn alle menschliche Kunst ist immer nur Mimesis und letztlich suspekt, weil immer die möglichkeit besteht, daß sie mit einer absicht konzipiert worden ist und von daher ein Begriff und eine Zweckmäßigkeit mit Zweck auf ihr lastet.

Jean-François Lyotard: "Die Erhabenheit ist das Unkonsumierbare. Ein Gespräch mit Christine Pries am 6.5.1988." Kunstforum International, 100 (April/May 1989), pp. 355/356.

   

     In the Kritik der Urteilskraft, Immanuel Kant has analysed the aesthetic experience as an autonomous cognitive process, which is unlike ordinary perception in that it is not driven by any human "interest" -- in particular, it is not driven by the desire to understand the input in terms of definite concepts. Many philosophers have pointed out that Kant's emphasis on the disinterested nature of the aesthetic experience assigns a problematic status to art works created by human persons. Is it possible to listen in a disinterested way to music which is composed and performed by humans? Human composers and musicians are not disinterested. They want money, fame, sex. [...] Behind the apparent complexity and indefiniteness of their compositions, there are all too clear-cut meanings.

      Kant's paradigm examples of aesthetic experiences involve the contemplation of natural phenomena like vast landscapes, elegant flowers, geometric crystals, stormy seas and starry skies. They do not involve looking at paintings or listening to symphonies. Kant points out explicitly that human-made art can often be quite depressing, and recommends nature's serenity as the ideal that art should try to approximate.

Huge Harry: "A Computational Perspective on Twenty-First Century Music."
Contemporary Music Review
, 14, 3 (1995), pp. 153-159.

Wittgenstein

Der Mathematiker (Pascal), der die Schönheit eines Theorems der Zahlentheorie bewundert; er bewundert gleichsam eine Naturschönheit. Es ist wunderbar, sagt er, welch herrliche Eigenschaften die Zahlen haben. Es ist, als bewunderte er die Regelmässigkeiten einer art von Krystall.

   

Man könnte sagen: die Kunst zeige uns die Wunder der Natur. Sie basiert auf dem Begriff der Wunder der Natur. (Die sich öffnende Blüte. Was ist an ihr herrlich ?) Man sagt: "Sieh, wie sie sich öffnet!"

Ludwig Wittgenstein (1942/1947). In: Vermischte Bemerkungen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1977, pp. 83/109.)


           



Against the Aesthetics of Nature



Hegel

Denn die Kunstschönheit ist die aus dem Geiste geborene und wiedergeborene Schönheit, und um soviel der Geist und seine Produktionen höher steht als die Natur und ihre Erscheinungen, um soviel auch ist das Kunstschöne höher als die Schönheit der Natur. Ja formell betrachtet, ist selbst ein schlechter Einfall, wie er dem Menschen wohl durch den Kopf geht, höher als irgendein Naturprodukt, denn in solchem Einfalle ist immer die Geistigkeit und Freiheit präsent. [...]

Das Höhere des Geistes und seiner Kunstschönheit der Natur gegenüber ist aber nicht ein nur relatives, sondern der Geist erst ist das Wahrhaftige , alles in sich Befassende, so daß alles Schöne nur wahrhaft schön ist als dieses Höheren teilhaftig und durch dasselbe erzeugt. In diesem Sinne erscheint das Naturschöne nur als ein Reflex des dem Geiste angehörigen Schönen, als eine unvollkommene, unvollständige Weise, eine Weise, die ihrer Substanz nach im Geiste selber enthalten ist.

G.W.F. Hegel: Vorlesungen über die Ästhetik (1835-1838) [Weimar, 1984, p. 14]
[Einleitung. I. Begrenzung der Ästhetik und Widerlegung einiger Einwürfe gegen die Philosophie der Kunst.]

Wilde

" [...] the more we study Art, the less we care for Nature. What Art really reveals to us is Nature's lack of design, her curious crudities, her extraordinary monotony, her absolutely unfinished condition. Nature has good intentions, of course, but, as Aristotle once said, she cannot carry them out."

"Nobody of any real culture ever talks about the beauty of a sunset. Sunsets are quite old-fashioned. They belong to the time when Turner was the last note in art. To admire them is a distinct sign of provincialism. Upon the other hand they go on. Yesterday evening Mrs. Arundel insisted on my going to the window and looking at the glorious sky, as she called it. Of course I had to look at it. She is one of those absurdly pretty Philistines, to whom one can deny nothing. And what was it? It was simply a very second-rate turner, a Turner of bad period, with all the painter's worst faults exaggerated and over-emphasized."

Oscar Wilde: "The Decay of Lying – An Observation". In: Intentions, 1891.

   

"Nature is elbowing herself into the charmed circle of art."

Oscar Wilde in conversation.
In: Alvin Redman (ed.): The Epigrams of Oscar Wilde, 1952. [Dover reprint, 1959, p. 56.]

Queneau

Ce n'est pas si naturel que cela de peindre, et si le peintre peint, c'est parce qu'il est un homme, et non un animal sécrétant des morceaux de toile colorée de différents formats, comme l'huître la perle, ou la seiche la sépia.

Raymond Queneau: "L'amour, la peinture", 1948.

Bataille

[...] love of nature can so easily be conciliated with the primacy of utility, [...] that it has been the most common – and the most harmless – means of compensating for utilitarian societies. There is obviously nothing less dangerous, less subversive, or even less wild than the wildness of rocks.

Georges Bataille: La Littérature et le Mal. Paris: Gallimard, 1957.
[English translation: London: Calder and Boyars, 1973, p. 56.]

 
 





Remko Scha, August 2002 / December 2011.